Unanständig, diese VBZ

Dumm gelaufen

An einem Samstag-Nachmittag war ich bei einem Freund im Stadtzentrum zugegen, um ein Computerproblem zu lösen. Als Reisemittel hatte ich den ÖV gewählt und konnte noch die am Vortag gelöste Tageskarte mit Gültigkeit bis 18:10 Uhr verwenden. Mir war bewusst, dass eine einfache Fahrt zu lösen ist, wenn es später wird. Die digitale Herausforderung benötigte dann mehr Zeit als geplant und so verzögerte sich meine Heimreise.

Ich betrat um 19:15 gehetzt und kopflos das Tram Nr. 2 Richtung Albisrieden und telefonierte als erstes nach Hause um mitzuteilen, dass ich mich verspäte und man mit dem Nachtessen ohne mich starten solle.

Kaum aufgelegt, kündigten sich Kontrolleure an, die mich zunächst nicht beunruhigten. Obwohl ich wenig fahre, bin ich schon auffällig häufig kontrolliert worden. So ging ich daran, die App auf meinem Smartphone zu starten. In diesem Augenblick wurde mir bewusst, dass die gleich erscheinende Tageskarte abgelaufen war und ich gar nicht in diesem Tram sitzen dürfte. Ich Dummkopf hatte genau das vergessen, was ich vermeiden wollte!

Meine vorgebrachte Erklärung interessierte nicht. Es begann die Aufnahme von Personalien – peinlich. Die Frau vor mir warf mir einen mitleidigen Blick zu. Auf meine naive Frage, was ich zu begleichen hätte, wurde mir der Betrag von 100 Fr. genannt. Ich traute meinen Ohren nicht, wurde durch nochmaliges Nachfragen jedoch bestätigt.

So war das erledigt und ich hielt diesen Beleg für Taxzuschläge in der Hand. „Im Wiederholungfall höhere Gebühren“ und „Vorbehalten von strafrechtlicher Verfolgung“. Dann ist man für zwei Jahre in ihrem Datenpool als Zechpreller vermerkt. Da kommt doch gleich „Schwarzfahrer-Feeling“ auf. Und das zum regulären Kennenlernpreis von 100 Fr.

Mir kam in diesem Zusammenhang eine Szene in den Sinn, die sich während einer Fahrt mit der VBZ ein paar Monate zuvor abgespielt hatte. Da wurde eine Seniorin kontrolliert, deren Ticket nicht korrekt gelöst war. Die Dame war offensichtlich überfordert und es war ein mehr als grenzwertiges Verhalten, welches vom Kontrollpersonal an den Tag gelegt wurde. Sie liessen erst von der alten Frau ab, als diese den Tränen nahe war und unter uns Fahrgästen Unmut aufkam. Sie verzichteten dann auf weitere Überprüfungen und schlichen sich am nächsten Halt davon.

Die Kontrolleure scheinen durch ein seltsames (Bonus-?) System motiviert. Auch hatte es mich irgendwie ans Militär erinnert.

Fazit

Der Umgang mit redlichen Kunden und die Bussenpolitik sind undifferenziert und fragwürdig. Man landet kurzum im Topf der notorischen Schwarzfahrer.

Personen ohne böswillige Absicht werden mehrfach bestraft. Das beginnt mit dem Ärger über sich selbst, dann mit der Peinlichkeit vor den anderen Fahrgästen – denn plötzlich sieht man sich an den Pranger gestellt – und es endet mit der absolut unverhältnismässigen Höhe des Taxzuschlages. Und so höre ich immer wieder „man kommt sich vor wie ein Verbrecher“.

Einem Schwarzfahrer allerdings ist dies egal, denn er geht das Risiko bewusst mit betrügerischer Absicht ein.

Da man sowieso in einer Datenbank erfasst wird, bestünden ohne grossen Aufwand Möglichkeiten, diese Problematik fair zu handhaben.

Mein Protestschreiben an das Unternehmen brachte ausser einer Geschlechtsumwandlung „Sehr geehrte Frau“ nichts. Natürlich wolle man mir keine Schwarzfahrerei unterstellen. Hätte ich zuvor überprüft, wäre mir aufgefallen …

Ich werde den Verdacht nicht los, dass ein fragwürdiges System gefüttert werden muss. 3.4 Mio Fr. Taxzuschlag-Einnahmen (Zahlen 2016) können vielleicht nicht ohne Kollateralschäden, wie der Demütigung einer Seniorin, erwirtschaftet werden. So auch typisch, dass meistens ausserhalb der Stosszeiten kontrolliert wird. Wissend, dass die Schwarzfahrer während den Stosszeiten und in gut gefüllten Transportmitteln unterwegs sind. Diese sind dann nur durch Grosskontrollen (die zum Teil sogar vorab publiziert werden!) zu erwischen – und die gehen wegen des enormen Personalaufwandes ins Geld. Da kommen doch ein paar dusselige Senioren oder kopflose Personen wie ich sehr gelegen.

Auf meine Frage, ob man nicht schon auf der Aussenseite Fahrzeuge gut sichtbar auf ein gültiges Ticket hinweisen könne, antwortete die VBZ, dass man froh um solche Anregungen sei und leite es an die entsprechende Stelle weiter. Ich bin sicher der Erste, der dies anbringt. Es hätte unter Umständen mir und vielen anderen Ärger ersparen können. Ausserdem höflich gegenüber Fremden, die mit unserem ÖV weniger vertraut sind.

Stattdessen bringt man markige Werbesprüche an, die zwar sexy sein mögen, aber auch nur dem stehen, der die Figur dazu hat.

So steige ich nun kaum mehr ein, und komme trotzdem weiter. Auch das Halbtax wurde gekündigt. Zur motorisierten Fortbewegung investierte ich dafür in einen Elektroroller. Damit komme ich schneller und sauberer als je zuvor ans Ziel. Ein Helm empfiehlt sich unbedingt – wurde ich kürzlich um ein Haar von einem Bus der VBZ gerammt. Dies würde man dann wohl als „Ironie des Schicksals“ bezeichnen.

Für Senioren sieht es allerdings schlecht aus. Nicht wenige erzählen, dass sie an den Automaten überfordert sind. Aus Angst, in eine Kontrolle zu geraten, verzichten sie gänzlich auf Fahrten.

Eine seltsame Art von Kundenverständnis und Kundenwahrnehmung.